Erschienen in: Wiener Zeitung, am 11.5.2023

Foto: Julian Kern
Sich das erste Mal gemeinsam verschulden. Eine Überlegung, worüber sich junge Familien oftmals monatelang den Kopf zerbrechen. So viel Zeit hatten die Verantwortlichen auf europäischer Ebene im Sommer 2020 aber nicht. An einem der längsten Gipfel in der EU-Geschichte verabschiedeten sich europäische Spitzenpolitiker von lange geltenden Dogmen.
EU-weit drohte aufgrund der Corona-Pandemie der Einbruch der EU-Wirtschaftsleistung um mehr als 8 Prozent. Das brachte selbst Angela Merkel, die sich als deutsche Kanzlerin mehr als 15 Jahre lang gegen gemeinsame Schulden aussprach, dazu, dem 750 Milliarden Euro schweren EU-Aufbauplan "NextGeneration EU" (NGEU) zuzustimmen. Die Refinanzierung dieses EU-Aufbauplans führt aufgrund der hohen Inflation und des angehobenen Leitzinses nun aber zu Problemen.
Um höhere Beiträge für die Mitgliedstaaten zu verhindern, wurden für die Tilgung des 750 Milliarden Euro schweren Pakets eine Abgabe auf Plastikmüll ab 2021, eine Digitalsteuer und eine Einfuhrgebühr (CBAM) auf Produkte aus Drittstaaten mit geringeren Umweltauflagen beschlossen. Letztere soll ab Oktober 2023 bis Ende 2025 schrittweise implementiert werden.
Die EU-Abgeordneten befürchten nun aber, dass die dadurch neu generierten Eigenmittelbeträge alleine nicht ausreichen könnten, um alle Rückzahlungen und Fremdkapitalkosten von NGEU zu decken. Bis zum Jahr 2058 sollen diese durchschnittlich mindestens 15 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Dieser Betrag basierte allerdings auf der Annahme, dass die Zinssätze für die Kreditaufnahme schrittweise von 0,55 Prozent im Jahr 2021 auf 1,15 Prozent im Jahr 2027 ansteigen. Aktuell liegen die Zinssätze jedoch bei rund 3 Prozent. Aufgrund dessen sollen nun neue Maßnahmen zur Steigerung der EU-Eigenmittel beschlossen werden.
17 Milliarden Euro durch neue Maßnahmen
"Maßnahmen, die Eigenmittel zu erhöhen, sind schon lange im Gespräch, die Plastiksteuer haben wir schon und jetzt sind wir auf der Suche nach neuen Ideen, wie wir zu Geld kommen. Da sind jetzt Vorschläge auf dem Tisch wie die Finanztransaktionssteuer, CBAM (CO2-Grenzausgleichsmechanismus, Anm.), die Körperschaftssteuer, das Besteuern von Kryptowährungen oder auch die Digitalsteuer", sagt die EU-Abgeordnete Angelika Winzig, Delegationsleiterin der ÖVP und Mitglied im Haushaltsausschuss. Dadurch möchte die Kommission bis zu 17 Milliarden Euro jährlich lukrieren.