Erschienen in: Wiener Zeitung, am 10.6.2023

Foto: ©Julian Kern
In Fürstenfeld, der dank eines gleichnamigen STS-Lieds wahrscheinlich berühmtesten Kleinstadt der Steiermark, gibt es einen Bahnhof. Aber dieser Bahnhof ist bescheiden. Die beiden Bahnsteige sind kaum breiter als eineinhalb Meter, eine Unterführung sucht man hier vergeblich, man muss über die Gleise gehen, um zum Zug zu gelangen. Da hier allerdings nur selten ein solcher fährt, ist das nur halb so gefährlich. Immerhin: Es gibt ein WC. Im Herrenklo hat jemand einen Sticker mit der Aufschrift "Ich halte die globale Erwärmung für weniger gefährlich als die globale Verblödung" auf die Tür geklebt, jemand anderer hat mit einem Filzstift "Schwurbler!" dazugeschrieben. Darüber pickt ein Aufkleber mit dem Text "Landwirtin und stolz drauf".
Das Bahnhofsgebäude wurde in den Farben der ÖBB in Rot und Grau gestrichen. Abgesehen von etwas frischer Farbe hat sich hier jedoch seit den 1980er Jahren offenbar kaum etwas verändert. Sogar eine Steckdose, um sein Handy aufzuladen, sucht man im Warteraum vergeblich. Am Ort des früheren Fahrkartenschalters findet sich mittlerweile ein Postbus-Kundenbüro, das wochentags für ein paar Stunden geöffnet hat - wahrscheinlich wollte man den Platz des aufgelassenen ÖBB-Schalters sinnvoll nutzen.
Doch dort klebt ein Zettel, auf dem in roter Schrift betont wird, dass man hier das Klimaticket nicht kaufen kann, auf einem weiteren Zettel ist der Weg zum Ticketautomaten, zum Fahrplanaushang und zu den Toiletten aufgezeichnet - nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt, am Schalter danach zu fragen. Was den Bahnhof Fürstenfeld beziehungsweise die sogenannte Thermenbahn, an dem dieser gelegen ist, aber besonders auszeichnet, ist, dass hier unter der Woche nur achtmal am Tag ein Zug fährt. Wer hier mit der Bahn fährt, muss ein Idealist sein.
Fehlendes Marketing-Konzept
Betrieben wird die Thermenbahn wie eine typische Nebenbahn, noch dazu wie eine völlig unattraktive. Und angesichts der Tatsache, dass es am Wochenende und an Feiertagen, also an Tagen, an denen besonders viele Leute in die Therme gehen, überhaupt nur fünf Züge sind, die von den thermennahen Bahnhöfen Bad Waltersdorf, Bad Blumau und Bad Loipersdorf nach Wiener Neustadt beziehungsweise Fehring unterwegs sind, wirkt der Markenname Thermenbahn fast wie ein Hohn. Auch fehlt ein professionelles Marketing-Konzept, das laut Gunter Mackinger, dem ehemaligen Verkehrsdirektor der Salzburg AG, etwa Kombitickets für Bahn und Therme inkludieren sollte. In Ermangelung dessen sind es derzeit bloß circa zehn Übernachtungsgäste pro Woche, die laut telefonischer Auskunft der Therme Bad Waltersdorf mit der Thermenbahn in die Therme fahren beziehungsweise durchschnittlich 45 Thermengäste, die das laut Auskunft der Therme Bad Blumau tun.
Die "Wiener Zeitung" hat Glück und trifft beim Lokalaugenschein im Thermenbahnzug ein junges Pärchen, das mit dem Zug nach Bad Waltersdorf gefahren ist und nach einem tiefenentspannten langen Wochenende wieder zurück nach Wien unterwegs ist. "Wir haben beide das Klimaticket. Dementsprechend hat uns die Fahrt nichts zusätzlich gekostet. Und wir haben uns gedacht: Warum sollten wir da das Auto nehmen, wenn es eh einen Zug gibt?", erklärt der 28-jährige Markus. Und seine 25-jährige Freundin Michelle ergänzt: "Wir haben den Zug genutzt, um Spiele zu spielen und zu tratschen." Da vergehe die Zeit dann ohnehin schnell, meint Markus, der ebenso wie seine Freundin in Wien studiert.