Erschienen in: profil, am 24.2.2023

Foto: Julian Kern
profil: Herr Roiss, zu Jahresende läuft der Transitvertrag der Ukraine mit der Gazprom aus. Die Ukraine hat mehrfach angekündigt, diesen nicht zu verlängern. Sie sagen, das sei das günstigste Ausstiegsszenario aus dem Langzeitvertrag der OMV mit Gazprom – warum?
Roiss: Wenn ich einen Vertrag bis 2040 habe, wo ich weiß, dass mir diese sechs Milliarden Kubikmeter (Gas pro Jahr; Anm.) langfristig niemand mehr in vollem Umfang abnimmt, weil der Markt sie nicht mehr braucht, ich aber aufgrund der Take-or-pay-Klausel 98 Prozent bezahlen muss, kostet mich das in Summe Milliarden. Jetzt habe ich aber die Chance, dass mir der Lieferant nicht mehr frei Haus bis Baumgarten liefern kann und somit seinerseits den Vertrag nicht mehr erfüllen kann.
profil: Womit man der Vertragsauflösung ein Stück näher käme.
Roiss: Wenn man das Ziel verfolgt, aus dem Vertrag auszusteigen, und das mit der Regierung koordiniert ist, ja. Ungeachtet dessen wird es aber trotzdem am Schiedsgericht in Stockholm landen (am Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer SCC werden seit Jahrzehnten Ost-West-Streitigkeiten ausgefochten; Anm.).
profil: Welche Auswirkungen wird das Ende des Transitvertrages am 31.12.2024 auf den europäischen Markt haben?
Roiss: Es wird sicher Händler geben, die über diese Route Gas einkaufen. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass irgendjemand Gas im Ausmaß von sechs Milliarden Kubikmeter kaufen wird, aber geringere Mengen russisches Gas könnten weiterhin über die Ukraine kommen. Es sind aber auch andere Szenarien denkbar, nämlich dass gar kein Gas mehr durch die Ukraine kommt.
profil: Wann wäre das der Fall?