17 June 2023

„Marken sollten weltweit dazu stehen"

Erschienen in: Wiener Zeitung, am 17.6.2023

Foto: © buero butter / Christoph Liebentritt

"Wiener Zeitung": Am Samstag findet im Rahmen der Vienna Pride die Regenbogenparade statt und generell steht der Juni als "Pride Month" im Zeichen der sexuellen Diversität. Viele Unternehmen, Organisationen und Parteien tauchen ihre Logos in Regenbogenfarben. Machen es sich manche hier zu einfach, wenn solche Zeichen beziehungsweise Maßnahmen nur im Juni gesetzt werden?

Astrid G. Weinwurm-Wilhelm: Ja und Nein. Ich denke, es ist ein wichtiger Anfang, ein Zeichen zu setzen. Üblicherweise wird als "pinkwashing" bezeichnet - und auch richtigerweise beanstandet -, wenn sich die Maßnahmen ausschließlich aufs Einfärben des Logos beziehen. Wenn einfach nur eine Fahne aufgehängt wird und nicht auch während der anderen elf Monaten Maßnahmen gesetzt werden, im Kontext LGBTQIA+-Diversity.

Welche Maßnahmen könnte oder sollte ein Unternehmen in den restlichen elf Monaten des Jahres setzen?

Maßnahmen können nur dann als glaubwürdig und ernsthaft verstanden werden, wenn sie sich auf die Mitarbeiter:innen beziehen. Erst dann kann dieses Thema auch nach außen gespielt werden. Wenn homophobe Sprüche oder sonstige diskriminierenden Tendenzen zugelassen werden, dann ist jegliche Aktion nach außen hin nicht glaubwürdig. Das Gute an unserer digitalisierten und globalisierten Welt ist, dass es sich Unternehmen heutzutage nicht mehr leisten können, einen Shitstorm zu riskieren. Maßnahmen starten bei Bewusstseinsbildung über alle Hierarchieebenen, gendersensible Sprache und Bildsprache bis hin zu diversitätsorientierter Führungskultur.

Stichwort globalisierte Welt: Wie glaubhaft ist es, wenn weltweit operierende Unternehmen ihr Logo vor allem in Europa branden, im Nahen Osten oder Afrika aber nicht?

Ich finde diese Entscheidung sehr schwierig. Marken mit einer weltweiten Marktmacht sollten meiner Meinung dazu stehen können. Die Frage, die sich stellt: Was würde passieren, wenn ein weltweit tätiger Konzern in einem Land das Logo umfärbt, in dem Homosexualität nicht toleriert wird? Es wäre ein wichtiges Zeichen, auch um diese autokratischen, diktatorischen Strukturen ein Stück weit herauszufordern. Realistischerweise ist es aber wohl sehr riskant - auch für mächtige Konzerne, weil ihr wirtschaftlicher Erfolg auch von den Machthabern - hier muss wohl nicht gegendert werden - abhängt.

Kommen wir zurück nach Österreich. Anfang dieser Woche hat eine Studie für Aufmerksamkeit gesorgt, in der ein Drittel der befragten Männer angaben, dass es akzeptabel sei, wenn in der Partnerschaft einmal "die Hand ausrutscht". Aus derselben Studie geht auch hervor, dass fast die Hälfte der Befragten eine "Abneigung gegen das öffentliche Zeigen von Homosexualität" empfindet. Kann man das eins zu eins auf die Arbeitswelt umlegen? Wie steht es um die sexuelle Vielfalt in Österreich?

Gewalt ist für mich in einer Beziehung nie okay, egal ob gleichgeschlechtlich oder verschiedengeschlechtlich. Und ich finde es wichtig, dass gleichgeschlechtlich lebende Menschen genauso ihre Zuneigung in der Öffentlichkeit zeigen können wie verschiedengeschlechtliche Paare. Heterosexuellen Paaren würde auch niemand verbieten können, Händchen haltend oder küssend durch die Straße zu gehen. Wir sprechen hier nicht von sexuellen Handlungen, sondern von ganz banalen Zeichen der Zusammengehörigkeit, der Zugehörigkeit, der Verbundenheit, der Liebe. Genauso muss es im Arbeitskontext möglich sein, zur eigenen sexuellen Orientierung stehen zu können. Wenn einfache Gespräche, wie zum Beispiel das Erzählen vom vergangenen Wochenende, im Arbeitsumfeld für mich nicht möglich scheinen, spreche ich von der "besseren Hälfte", verändere das Geschlecht meiner Beziehungsperson. Ich verbiege mich, ich verleugne mich, es kostet wahnsinnig viel Energie, diese Parallelwelt zu konstruieren. Studien sprechen von bis zu 30 Prozent potenziellen Leistungseinbußen, wenn Menschen ein Arbeitsumfeld vorfinden, indem es nicht möglich ist, sich gefahrlos outen zu können. Unternehmen sind gefordert, einen entsprechenden Rahmen zu schaffen, der dazu inspiriert, das Beste zu geben.