29 April 2023

„Migration ist nicht der einzige Hebel"

Erschienen in: Wiener Zeitung, am 29.4.2023

Foto: Phillip Hutter

"Wiener Zeitung": Herr Professor Bonin, Sie haben Ende März bei Ihrer Vorstellung angekündigt, dass Sie noch ein paar Monate Zeit haben, ein "Österreich-Insider" zu werden. Wie weit sind Sie schon?

Holger Bonin: Ich lese viel. Dazu gehören die verschiedenen Tageszeitungen und andererseits aber auch entsprechende Reports. Mit vielen Menschen zu reden, hier am IHS und auch mit denen, die hier in Österreich etwas zu sagen haben. Aber auch zuzuhören. Ich höre gerne zu, was im Kaffeehaus gesprochen wird.

Mit Ihrem Außenblick von Deutschland kommend, wie unterscheiden sich die beiden Wirtschaftsstandorte Österreich und Deutschland und wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Die deutsche Wirtschaft ist stärker durch die Industrie geprägt, in Österreich hat der Tourismus ein viel größeres Gewicht. In Deutschland konzentriert sich auch nicht so vieles auf eine große Stadt, der Gegensatz zwischen Wien und den Regionen ist schon besonders. In vielen Bereichen haben beide Länder aber ganz ähnliche Probleme. Die demografische Entwicklung, die Steuerung von Migration und Integration, Fachkräfteengpässe, die Energiekrise sind hier wie da große Herausforderungen.

Wie kann man dem demografischen Wandel entgegentreten?

Migration ist ein Hebel, aber nicht der einzige. Mit Migration kann man die Alterung der Bevölkerung etwas abfedern, aber nicht verhindern. Dafür bräuchte es enorm viele passend qualifizierte Zuwanderer. Davon gibt es auf dem globalen Arbeitsmarkt nicht genug, und viele Länder streiten sich um diese kleine Gruppe von Menschen. Österreich und Deutschland haben da einen Nachteil, weil Deutsch wenig verbreitet ist und weil ihre Ausbildungssysteme besonders sind. In puncto Sprache könnte man mit Deutschland kooperieren, um mehr Deutschsprachkurse im Ausland auf den Weg zu bringen.