10 June 2023

Möbelhandel auf wackligen Beinen

Erschienen in: Wiener Zeitung, am 10.6.2023

Foto: pexels

Es sind Einkaufserlebnisse, die meist mit einer langen Parkplatzsuche beginnen. Angekommen im riesigen Einrichtungshaus, findet man von Leuchten, Textilien, Betten, Stühlen und Tischen bis hin zum Schnitzel im hauseigenen Restaurant alles, was das Herz begehrt. Waren, die in der Kika-Filiale in Ottakring und der Leiner-Filiale Wien-Nord künftig nicht mehr verkauft werden. Zu den beiden Geschäften in der Bundeshauptstadt gesellen sich österreichweit 21 weitere Standorte, die nach dem Verkauf des Immobilieninvestors René Benko vor rund einer Woche geschlossen werden sollen. 1.900 Beschäftigte verlieren dabei ihre Jobs. Der Kahlschlag beim ehemals zweitgrößten Möbelhaus bildet jedoch nur die Spitze des Eisberges einer Branche ab, die in den vergangenen Jahren ins Straucheln geraten ist. Denn die Nachfrage für die Einrichtung der eigenen vier Wände sinkt.

Nach fünf Jahren Eigentümerschaft veräußerte Benkos Signa-Retail-Gruppe den Möbelhändler mit dem rot-grünen Logo an den Supernova-Konzern. Profitabel war das operative Geschäft in den vergangenen fünf Jahren für Signa trotz eines harten Sanierungskurses nicht. Hohe Kosten und strategische Managementfehler brachten die Möbelkette letztlich in Schieflage. "Retten, was zu retten ist", ließ der neue Geschäftsführer der Kika/Leiner-Gruppe, Hermann Wieser zunächst via Unternehmensaussendung mitteilen. Doch nun soll Anfang nächster Woche am Landesgericht St. Pölten Insolvenz angemeldet werden.

25 Prozent Umsatzplus während der Pandemie

Für Branchenkenner ist der Absatzrückgang im Möbelhandel schon lange vorhersehbar gewesen. Während in den Pandemiejahren 2020 und 2021 Reisen oder Restaurantbesuche für die Bevölkerung kaum möglich waren, wurde das Geld stattdessen in die eigenen vier Wände investiert. Ein Umsatzplus von bis zu 25 Prozent sei in den Pandemiejahren problemlos zu erzielen gewesen, heißt es aus der Branche. Nun trete jedoch ein Nachholeffekt für andere Konsumausgaben ein. "Möbel sind zeitelastische Güter. Beim Austausch ist es selten so, dass sie so kaputt sind, dass man sie jetzt austauschen muss. Wenn, wie es zum jetzigen Zeitpunkt der Fall ist, die Rahmenbedingungen nicht passen, dann kaufen die Leute nicht", sagt Andreas Kreutzer, Geschäftsführer der "Branchenradar.com Marktanalyse" zur "Wiener Zeitung": "Die Leute sind jetzt zurückhaltend, weil das tägliche Leben so viel kostet."