24 September 2023

Spannungen im Fernost-Verkehr

Erschienen in: profil, am 24.09.2023

Foto: © Julian Kern

Es hat einen Hauch von Apple, wenn man die Shopping City Süd (SCS) durch den Eingang 10 betritt. Und das liegt nicht nur daran, dass der Premium-Shop des US-amerikanischen Technologiekonzerns das dritte Geschäft auf der rechten Seite ist. Gleich nach der Drehtür versteckt sich ein vergleichsweise kleines Geschäft. Über dem Eingang steht: BYD. Dahinter parken Dolphin, Atto 3 und Han – die E-Automodelle des chinesischen Herstellers „Build Your Dreams“ oder nur BYD. Während beim Apple-Shop schräg gegenüber die neuesten iPhone-Modelle in Blau, Gelb, Grün, Pink oder Schwarz zu haben sind, dominieren hier die Farben „mountain green“, „time grey“ oder „emperor red“. Eines haben aber sowohl der Apple- als auch der BYD-Store gemein: Clean und schlicht stehen die Produkte wie auf einem Präsentierteller im Mittelpunkt. Die vergleichsweise preisgünstigen E-Modelle wie jene von „Build Your Dreams“ werden nicht nur von Interessierten in der SCS angeschaut – sondern auch ganz genau von der EU-Kommission.


Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Rahmen ihrer Rede zur Lage der Union mit einer Ansage aufhorchen lassen: Die EU-Kommission werde eine Wettbewerbsuntersuchung wegen Marktverzerrungen durch chinesische Subventionen für Elektroautos einleiten. „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt“, lautete der Vorwurf von der Leyens im Europaparlament in Straßburg. Die Sorge: Chinesische E-Autos könnten dadurch so kostengünstig in der EU verkauft werden, dass heimische – vor allem deutsche – Hersteller nicht mithalten können. Je nach Ergebnis der Wettbewerbsuntersuchung stehen Maßnahmen wie höhere Einfuhrzölle auf BYD und Co im Raum. Der Zoll von derzeit rund zehn Prozent könnte in Richtung USA hochschnellen, wo es bereits 27,5 Prozent sind.


E-Auto zum Kampfpreis

In Vösendorf ist das kein Thema. Noch nicht. Vielmehr freut man sich hier auf ein Auto, das ab Oktober verfügbar sein soll: Ein neues Modell des 4,3 Meter langen Kompaktwagens BYD-Dolphin soll das erste vollelektrische Fahrzeug mit hochwertiger Ausstattung zum Kampfpreis werden – abzüglich aller derzeit erhältlichen Förderungen soll es 24.980 Euro kosten. Und damit ist es sogar billiger als Verbrenner in vergleichbarer Größe, wie zum Beispiel der VW Golf Rabbit. Es dürften Autos wie diese sein, die der EU-Kommissionspräsidentin Sorgen um die europäische Autobranche bereitet. Bis BYDs das Straßenbild erobern, wartet auf die Verantwortlichen aber noch eine Menge Imagearbeit. Kaum jemand in Österreich kennt die Marke. Auch deshalb hat man im vergangenen Winter das Verkaufslokal in der SCS eröffnet. „Dieser Store ist dafür da, die Marke bekannt zu machen und Interessierten Elektromobilität näherzubringen“, heißt es vor Ort. Insgesamt laufe es aber gut, mehrere Hundert Interessierte seien es pro Woche. Seit Jahresbeginn habe es über 2000 Probefahrten gegeben.


BYD ist aber längst nicht die einzige Automarke unter chinesischer Flagge, die in der EU vertrieben wird. MG, früher eine britische Marke, heute unter dem Dach des größten chinesischen Autokonzerns SAIC Motor, wird seit 2021 in Deutschland verkauft, ebenso Maxus. Erst im Mai dieses Jahres hat die österreichische Post mehr als 700 E-Fahrzeuge um rund 22 Millionen Dollar bestellt. Schließlich soll hierzulande bis 2030 gänzlich ohne Verbrenner zugestellt werden. Auch europäische Hersteller wie Zeekr, Nio, Elaris, Smart (Joint Ventures von Mercedes und dem chinesischen Automobilhersteller Geely; Anm.) und bis 2021 Volvo, kommen ohne ihre chinesischen Produktionsstätten und (Mit-)Eigentümer nicht aus.

Mit der angekündigten Wettbewerbsuntersuchung bei chinesischen Herstellern begibt sich die EU in ein Dilemma, wie die in Brüssel ansässige wirtschaftswissenschaftliche Denkfabrik Bruegel schreibt: Einerseits möchte die EU nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen – wie beispielsweise im Fall der nach China abgewanderten Solarzellenindustrie. Andererseits ziehe das Vorgehen der Kommission auch Kritik und den Vorwurf auf sich, die EU trete in eine neue, gefährliche Phase des Protektionismus ein. Ungewöhnlich ist das Vorgehen laut Bruegel aus zwei Gründen: Die Untersuchung wurde nicht – wie sonst üblich – von europäischen Industrieunternehmen angestoßen, sondern von der Kommission selbst. Und das Ausmaß der Antisubventionsuntersuchung ist größer als in bisherigen Fällen. Anders als zum Beispiel 2019, als die EU eine Untersuchung gegen Einfuhren von Glasfasermatten aus China und Ägypten einleitete, handelt es sich jetzt um einen Multimilliarden-Euro-Sektor, der zudem einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die menschengemachte Erderhitzung leisten soll: die Dekarbonisierung des Verkehrssektors.