Erschienen in: Wiener Zeitung, am 20.5.2023

Foto: ©Bettina Amon
Zentimeter für Zentimeter arbeitet sich der Gurkerlflieger über das Feld. Seitlich, auf zwei langen tragflächenartigen Plattformen liegen bis zu 30 Erntearbeiter, die bäuchlings die Einlegegurken per Hand pflücken. Eine körperlich enorm anstrengende Aufgabe, für die sich immer schwieriger Personal finden lässt. Der Krieg in der Ukraine, der sich für heimische Landwirte bereits bei den höheren Energiekosten und gestiegenen Preisen bei Dünger- und Futtermitteln durchschlägt, verschärft die Personalsuche zusätzlich.
Ein Hof, der im vergangenen Jahr auf sein ukrainisches Stammpersonal verzichten musste, liegt im oberösterreichischen Zentralraum, dort, wo von der A1 weitere Autobahnstränge in fast alle Himmelsrichtungen abzweigen. Anstelle der ukrainischen Arbeiter kamen im vergangenen Sommer deren neun Frauen und sieben Kinder auf den Hof der Familie Mayr nach Ansfelden. Geerntet wurden die Gurkerl aber dennoch. Zusätzlich zu den rund zehn polnischen Erntearbeitern, einigen ukrainischen Männern, die bereits vor Kriegsbeginn im Schengenraum waren, sprangen eben die ukrainischen Frauen für ihre Männer ein.
Kindergarten und Deutschkurse
Dass auf einmal die Frauen die Arbeit übernahmen, stellte die Familie Mayr aber vor völlig neue Herausforderungen. "Neben Unterkunft und Verpflegung mussten nun auch Schul-, Kinder- und Krabbelstubenplätze und Deutschkurse organisiert werden", sagt Bernhard Mayr. Am Hof hat sich darum vor allem seine Frau Gerlinde gekümmert. "Da braucht es eine Person im Betrieb, die sich nur um die sozialen Bedürfnisse der Familien kümmert", sagt sie. "Da nimmt man dann viele Aufgaben auch ins Wochenende oder in die Feiertage mit."
Schul- und Kindergartenplätze konnten zwar mit einiger Mühe in umliegenden Gemeinden und der Landeshauptstadt Linz gefunden werden, bei der Beschaffung von Aufenthaltstiteln für die Frauen stießen die Mayrs aber von Tag zu Tag auf neue Hürden. So konnten etwa Menschen, die vor dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 aus der Ukraine ausgereist waren, lange Zeit keinen Ausweis für Vertriebene beantragen. Abhilfe brachte erst die Reform der sogenannten blauen Karten im April dieses Jahres. "Die Behörden haben sich sehr lange Zeit gelassen, das zu überarbeiten, und in der Zwischenzeit sind jegliche Visa abgelaufen und auch die 90-Tage-Frist ist verstrichen. Die sind dann ohne jeglichen Aufenthaltstitel dagesessen", sagt der Landwirt Mayr.